Während viele Gerichte in den letzten Jahren dazu neigten, illegale Downloads von Musiktiteln und Filmen und sog. Filesharings in den Prozessen, ausgelöst durch eine Art von „Abmahnindustrie“, mit hohen Schadensersatzansprüchen und damit hohen Gegenstandswerten zu bemessen, hatte der Gesetzgeber zuletzt mit der Neuregelung des § 97 a Abs. 3 UrhG (n. F.) versucht, dieser in der Öffentlichkeit als „Abzocke“ wahrgenommenen Praxis, entgegen zu treten.
Klar ist dabei allen Beteiligten, dass illegale Downloads rechtswidrige Schäden bei der Musik- und Filmindustrie in Millionenhöhe verursachen. Fraglich ist also nicht die Maßregelung für illegale Downloads, sondern lediglich die Begrenzung der eingetretenen pauschalierten Schadensersatzforderungen auf ein vernünftiges Maß. Dies vor allen Dingen dann, wenn Verbraucher beteiligt sind und nur einige, wenige Downloads von Titeln vornehmen, welche auf dem regulären Markt nur einige Euro an Wert darstellen.
Der Gesetzgeber hat daher die Regelung des § 97 a Abs. 3 UrhG wie folgt neu gefasst:
(3) Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1 000 Euro, wenn der Abgemahnte
1. | eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und | |
2. | nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, auf Grund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist. |
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.
Nach aktuellen Erfahrungswerten versuchten nunmehr einschlägige Kanzleien – ohne eine weitere Begründung zu liefern – durch bloße Wiederholung des Wortlautes der Ausnahmeregelung des Satz 4, die Begrenzung des Streitwertes auch bei Verbrauchern zu umgehen und die Streitwertbegrenzung als unbillig zu bezeichnen. Diesem Ansinnen ist entschieden entgegen zu treten.
Schon im Vorfeld der gesetzgeberischen Neuregulierung, war in Kenntnis der anstehenden Rechtsänderung durch das Amtsgericht Köln, eine interessante Entscheidung mit nachvollziehbaren und vernünftigen Gründen der Streitwertbegrenzung, ergangen:
Das Gericht richtete sich mit seiner Entscheidung AZ 125 C 495/13 mit deutlichen Worten gegen die „Abmahnindustrie“:
Die oben zitierte Vorschrift des § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG zwingt dazu, dass sich Verhandlungen der Parteien über die Höhe eines entsprechenden Lizenzentgeltes für die Legalisierung der rechtswidrig getätigten Nutzung vorzustellen und zumindest hinsichtlich des Lizenzentgelts zu einem der Realität möglichst nahekommenden Ergebnis zu gelangen (sogenannte Lizenzanalogie). Bei diesen Vertragsverhandlungen sind die realen Umstände zu berücksichtigen, hier insbesondere die Realität einer millionenfachen urheberrechtswidrigen Nutzung des Werks durch die Teilnehmer der modernen Filesharing-Netzwerke. In dieser Situation wäre ein Angebot der Klägerin zu erwarten, bei dem das Lizenzentgelt für die Legalisierung der Teilnahme an dem Filesharing generell in der Größenordnung der Entgelte für die legale Nutzung, etwa dem Kaufpreis für eine entsprechende CD, liegen würde. Das Gericht hat berücksichtigt, dass kein Rechteinhaber die Kontrolle über die Verbreitung seiner Werke gerne und preisgünstig abgibt und daher ein Lizenzentgelt angenommen, das mit 10,00 € pro Musiktitel im obersten Bereich der bei Berücksichtigung der oben dargestellten Umstände vorstellbaren Lizenzentgelte liegt.
Mit diesen Erwägungen kam das Gericht, in Anwendung der sog. Lizenzanalogie, zu einem Schaden von maximal 100,00 €.
Hinzu trat ein Anspruch wegen vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten unter Bersücksichtigung eines Gegenstandswertes von 1.000,00 €. Diesen bemaß das Gericht sodann nach den allgemeinen Vorschriften auf 130,50 €. Hierzu führte es aus:
Die Klägerin kann von dem Beklagten weiter die Zahlung von 130,50 € gemäß § 97 a Abs. 1 Satz 2 UrhG a. F. verlangen. Nach Auffassung des Gerichts ist der Unterlassungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten mit einem Streitwert von 1.000,00 € anzusetzen. Diesen Streitwertansatz gibt das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken in dem durch es eingeführten § 97 a Abs. 3 UrhG vor. Allerdings gilt diese Bestimmung erst ab dem 9. Oktober 2013 und damit nicht im vorliegenden Fall. Doch ist vorliegend der seit 2008 geltende alte § 97 a UrhG anzuwenden, der nach seinem Absatz 2 Gebühren für eine erstmalige Abmahnung bei in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 € begrenzte. Diese Voraussetzungen liegen hier bis auf den Umstand, dass es sich bei Filesharing nach Auffassung des Gerichts nicht um einfach gelagerte Fälle von Urheberrechtsverletzung handelt, vor. Von den Rechtsfolgen her legt diese Regelung daher auch ein Streitwert von 1.000,00 € nahe. Jedenfalls erscheinen Streitwertbemessungen von 50.000,00 € oder gar 10.000,00 € pro Musiktitel mithin im vorliegende Fall von 130.000,00 € als völlig übersetzt.
Aufgrund der erfolgten Neuregelungen zur Streitewertbemessung bei der Rechtsverletzung durch Verbraucher, aber auch aufgrund einer tendenziell sich zu Gunsten der Verbraucher ändernden Rechtsprechung, sollten Verbraucher dem Anliegen vom Abmahnern nicht einfach nachkommen, sondern rechtliche Hilfe suchen.
Wichtig ist hierbei sachgerechte Beratung, insbesondere im Hinblick auf die meist notwendige modifizierte Unterlassungserklärung. Gesetzte Fristen sollten insoweit nicht unbeantwortet verstreichen.
Amtsgericht Köln 125 C 495/13, verkündet am 10. März 2014