Anrechnung der Praktikumsdauer auf Probezeit im Berufsausbildungsverhältnis

§ 22 Berufsausbildungsgesetz (BBiG) ordnet im Berufsausbildungsverhältnis eine Probezeit von mindestens 1 Monat und von maximal 4 Monaten an. Ungeklärt war bislang die Frage, ob Zeiten aus einer Vorbeschäftigung auf diese Probezeit angerechnet werden können.

Arbeitsrecht LogoHiervon ging der Auszubildende im Verfahren BAG 6 AZR 844/14 aus. Er hatte mit dem Ausbildungsbetrieb zur Überbrückung und bis zum Beginn des Ausbildungsverhältnisses, einen mehrmonatigen Praktikumsvertrag geschlossen. Der Auszubildende erhielt binnen der Probezeit durch den Betrieb die Kündigung ausgesprochen. Er vertrat die Ansicht, die Kündigung sei unwirksam, da die Vorbeschäftigung im Praktikumsverhältnis auf die Probezeit anzurechnen sei und die Probezeit damit verstrichen wäre, mit der Rechtsfolge, dass eine Kündigung nur noch aus wichtigem Grund in Betracht käme.

Bisher konnte sich der Auszubildende auf Rechtsprechung, zuletzt z. B. durch das Arbeitsgericht Bochum 3 Ca 251/14, verkündet am 23. Juli 2014, stützen. Dieses ging von einer Anrechenbarkeit der Vorbeschäftigungsdauer auf die Probezeit aus. Anders aktuell das Bundesarbeitsgericht.

Der Ansicht des Auszubildenden vermochte sich dieses nicht anzuschließen.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger bewarb sich im Frühjahr 2013 bei der Beklagten um eine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel. Die Beklagte versprach ihm die Aufnahme der Ausbildung zum 1. August 2013. Zur Überbrückung schlossen die Parteien einen „Praktikantenvertrag“ mit einer Laufzeit bis zum 31. Juli 2013. Nach dem gesonderten Berufsausbildungsvertrag begann anschließend die Ausbildung mit einer Probezeit von drei Monaten. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2013, welches dem Kläger am gleichen Tag zuging, kündigte die Beklagte das Berufsausbildungsverhältnis zum 29. Oktober 2013. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Sie sei erst nach Ablauf der Probezeit erklärt worden. Das dem Berufsausbildungsverhältnis vorausgegangene Praktikum sei auf die Probezeit anzurechnen. Die Beklagte habe sich bereits während des Praktikums ein vollständiges Bild über ihn machen können.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Das Berufsausbildungsverhältnis konnte während der Probezeit gemäß § 22 Abs. 1 BBiG ohne Einhalten einer Kündigungsfrist gekündigt werden. Die Tätigkeit des Klägers vor dem 1. August 2013 ist nicht zu berücksichtigen. Dasselbe würde auch dann gelten, wenn es sich hierbei nicht um ein Praktikum, sondern um ein Arbeitsverhältnis gehandelt hätte (vgl. BAG 16. Dezember 2004 – 6 AZR 127/04 -).

Das Bundesarbeitsgericht geht also sogar soweit, dass es bei der Frage der Anrechenbarkeit nicht einmal auf die Zielsetzung des Praktikums ankommt, sondern auch andere Arten von Vorbeschäftigungen anrechnungsfähig sind.

Ausbildungsbetriebe können in Anbetracht dieser Entscheidung potentielle Auszubildende bereits frühzeitig mittels Praktikumsvertrag an das Unternehmen binden, ohne die Möglichkeit der Erprobung im Ausbildungsverhältnis, zu verlieren.

Signatur Artikel Björn-M. Folgmann

Bundesarbeitsgericht Pressemitteilung 59/15 zur Entscheidung BAG 6 AZR 844/14

Arbeitsgericht Bochum 3 Ca 251/14

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