Seit dem 1. Januar 2015 gelten die Vorschriften zum Mindestlohngesetz. Dieses sieht dem Grunde nach einen flächendeckenden Mindestlohn von derzeit 8,50 €/Stunden vor.
Wie aber verhält sich dieser Mindestlohnanspruch zu Vergütungsansprüchen aus einem Werkstattvertrag zwischen einem schwerbehinderten Menschen und einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung (WfBM).
Mit dieser Fragestellung hatte sich das Arbeitsgericht Kiel 2 Ca 165 a/15 in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2015 auseinander zu setzen. Dem Streit lag im wesentlichen der nachfolgende Sachverhalt zu Grunde:
Der Kläger war seit dem 15. August 1994 auf Grundlage eines Werkstattvertrags in der Werkstatt M. des beklagten Hilfswerks tätig. Die Werkstatt M. ist eine Einrichtung zur Teilhabe und Eingliederung am bzw. in das i. S. d. § 136 Abs.1 SGB IX. Der Kläger erhielt für den Kalender-Monat bei einer Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden eine Vergütung in Höhe von 216,75 €/Monat. Rein rechnerisch wurde damit der Mindestlohn auffällig unterschritten.
Der Kläger verfolgte mit seiner Klage für den Monat Januar 2015 Vergütungsansprüche als Differenzlohnansprüche nach dem Mindestlohngesetz.
Zu unrecht, wie das Arbeitsgericht Kiel nun feststellte. Es ermangele bereits an der Erfüllung der Voraussetzungen des Arbeitnehmerbegriffs. Damit scheitere die Klage bereits an der Eröffnung des persönlichen Anwendungsbereichs des Gesetzes. Das Gericht formulierte insbesondere die folgenden Unterscheidungsmerkmale zwischen Arbeitsleistung i. S. d. Mindestlohngesetzes und Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen aufgrund sog. Werkstattvertrages:
1. Die Unterscheidung zwischen einem Werkstattverhältnis (arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis) und einem Arbeitsverhältnis erfolgt nicht nach dem Maß der Weisungsgebundenheit, sondern danach, ob die wirtschaftlich verwertbare Leistung oder der Zweck des § 136 Abs. 1 SGB IX (Teilhabe am bzw. Eingliederung in das Arbeitsleben) im Vordergrund steht.
2. Im Regelfall werden in einer Werkstatt für schwerbehinderte Menschen diese im Rahmen eines Werkstattverhältnisses tätig.
3. In § 22 Abs. 1 MiLoG wird bezogen auf schwerbehinderte Menschen in entsprechenden Werkstätten der allgemeine Arbeitnehmerbegriff vorausgesetzt. Damit gilt der Mindestlohn nicht für im Rahmen eines Werkstattverhältnisses Tätige
Das Arbeitsgericht Kiel stellt hierbei zu recht im wesentlichen nicht auf das Maß der Weisungsgebundenheit, sondern auf die wirtschaftliche Verwertbarkeit der Arbeitsleistung für den Dienstherrn ab. Es kommt demnach auf die Anwendbarkeit des allgemeinen Arbeitnehmersbegriffs auf die in der Werkstatt beschäftigten schwerbehinderten Menschen an. Damit ist grundsätzlich die Anwendbarkeit des Mindestlohngesetzes für die Personengruppen, welche aufgrund Werkstattvertrages bei einer WfBM beschäftigt sind, ausgeschlossen.
Diese im Ergebnis richtige Einordnung der Beschäftigung eines schwerbehinderten Menschen aufgrund sog. Werkstattvertrages lässt jedoch für den Einzelfall den notwendigen Spielraum zu andersartiger Bewertung zu, soweit der betreute Mitarbeiter außerordentlich leistungsfähig wäre.
Arbeitsgericht Kiel 2 Ca 165 a/15, verkündet am 19.06.2015
Mindestlohn / Die ersten Entscheidungen; keine Anrechenbarkeit von Sonderzahlungen und Urlaubsgeld