Verwandte in gerader Linie sind sich für den Fall der Bedürftigkeit ein Leben lang wechselseitig zum Unterhalt verpflichtet (§ 1601 BGB). Diese Unterhaltspflicht gewinnt in aller erster Linie Bedeutung zwischen den Eltern und ihren Kindern.
Während der Kindheit und Jugend leisten die Eltern ihren Kindern in aller Regel Naturalunterhalt. Werden die Eltern jedoch im Alter pflegebedürftig und reicht das Eigeneinkommen, das einzusetzende Vermögen sowie das Pflegegeld zur Deckung der Pflegekosten nicht aus, so können die Kinder vorrangig, noch vor Eintritt der Sozialträger, im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten in Anspruch genommen werden.
Wie sich diese wirtschaftlichen Möglichkeiten und damit die Zumutbarkeit für die betroffenen Kinder im einzelnen berechnen, wird immer wieder zum Streitgegenstand zwischen den nachrangig leistungspflichtigen Sozialträgern und den Kindern. Machen die Eltern nämlich ihren Unterhaltsanspruch nicht selbst geltend, geht dieser gem. 94 SGB XII auf den Sozialträger über. Immer wieder von Bedeutung ist die Berücksichtigung vorrangiger Unterhaltspflichten, der an sich verpflichteten Kinder, gegenüber ihren eigenen Kindern und ihren Ehegatten/Lebenspartnern.
In seiner Entscheidung XII ZB 693/14 hatte der Bundesgerichtshof sich am 09. März 2016 im wesentlichen mit der Frage zu beschäftigen, ob und wie „freiwilliger“ Unterhalt an die unverheiratete Lebensgefährtin Berücksichtigung bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit finden könne. Im konkreten Fall betreute die erwerbslose Partnerin die gemeinsamen Kinder und die Kinder aus der ersten Ehe des in Anspruch genommenen Sohnes.
Der Bundesgerichtshof traf eine im Ergebnis salomonische Entscheidung!
Das Gericht stellte einerseits mit Nachdruck klar, dass freiwilliger Unterhalt aus einer „moralischen“ Verpflichtung heraus gewährt, bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit nicht zu berücksichtigen sei. Jedoch sei die Leistung von Betreuungsunterhalt an eine nicht verheirate Lebensgefährtin, jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorlägen. Dies sei bei Kindern über 3 Jahren – so führte der Senat weiter aus – nur dann der Fall, wenn dieser Anspruch der Billigkeit entspreche (§ 1615 Abs. 2 Satz 4 BGB).
Das Gleiche gilt, soweit von der Mutter wegen der Pflege oder Erziehung des Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann. Die Unterhaltspflicht beginnt frühestens vier Monate vor der Geburt und besteht für mindestens drei Jahre nach der Geburt. Sie verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind insbesondere die Belange des Kindes und die bestehenden Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen.
Den Partnern stünde es aber hierbei grundsätzlich frei, ihre Erwerbssituation derart zu gestalten, dass einer der Partner arbeiten gehe, während der andere Partner sich um die Erziehung der Kinder kümmere. Für diesen Fall entspräche die Gewährung von Betreuungsunterhalt der Billigkeit und sei demnach bei der Berechnung der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.
Für Kinder, welche durch Sozialträger überschnell in Anspruch genommen werden sollen, bedeutet dies, dass sie ihre eigenen Unterhaltsverpflichtungen, einerseits aufgrund Verwandtschaft, andererseits aufgrund Betreuungspflichten, im Einzelfall dezidiert darstellen sollten. Im Streitfall sollte rechtzeitig Rechtsrat bei gezogen werden.
Pressemitteilung Bundesgerichtshof vom 09.03.2016 zu BGH XII ZB 693/14