Lange Zeit galt dass der Arbeitnehmer, welcher Überstunden geltend machte, zweistufig seine behaupteten Ansprüche darlegen und beweisen musste.
In der ersten Stufe hatte der Arbeitnehmer die Anordnung von Überstunden als solches nachzuweisen, in einer zweiten Stufe hatte der Arbeitnehmer sodann den genauen Umfang der Überstunden darzulegen und nachzuweisen.
Während die erste Stufe (Nachweis der Anordnung), dem Arbeitnehmer häufig noch gelang, scheiterten zumeist seine Ansprüche hinsichtlich des Prüfungsumfanges der zweiten Stufe, nämlich den genauen Umfang der Überstunden nachzuweisen.
In einer beachtenswerten Entscheidung senkte das Bundesarbeitsgericht zumindest teilweise die Anforderungen, welche an die zweite Stufe der Prüfung zu stellen sind. Es formulierte in seinen Leitsätzen zu seiner Entscheidung 5 AZR 602/13:
1. fehlt es an einer ausdrücklichen arbeitsvertraglichen Bestimmung des Umfangs der Arbeitszeit, darf der durchschnittliche Arbeitnehmer die Klausel, er werde „in Vollzeit“ beschäftigt, so verstehen, dass die regelmäßige Dauer der Arbeitszeit 40 Wochenstunden nicht übersteigt.
2. steht fest (§ 286 ZPO), dass Überstunden auf Veranlassung des Arbeitgebers geleistet worden sind, kann aber der Arbeitnehmer seiner Darlegungs- oder Beweislast für jede einzelne Überstunde nicht in jeder Hinsicht genügen, darf das Gericht den Mindestumfang geleisteter Überstunden nach § 287 Abs. 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 1 oder 2 ZPO schätzen.
Dies bedeutet im Einzelfall für den Arbeitnehmer eine Erleichterung, da er in der Praxis zwar häufig in der einer Lage war, die Anordnung von Überstunden als solches nachzuweisen, nicht jedoch die Anordnung der einzelnen Überstunden.
Dies bedeutet jedoch für den Arbeitnehmer auch, dass er unverändert in der Lage sein muss, soweit er in einen Überstunden-Abgeltungsprozess tritt, zumindest dem Gericht hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung an die Hand zu geben. Hierbei kann es sich um Ausdrucke aus dem Zeiterfassungssystem oder eigene Aufzeichnungen handeln, welche allerdings lückenlos sein sollten.
Inwieweit in der täglichen Praxis durch diese Änderung der Rechtsprechung tatsächlich Erleichterungen eintreten werden, bleibt abzuwarten. Die unteren Instanzgerichte neigen nämlich nach den allgemeinen Erfahrungen unverändert dazu, soweit möglich keine Schätzungen vorzunehmen und entsprechende Klagen als unbegründet abzuweisen.
Bundesarbeitsgericht 5 AZR 602/13