Ein Alptraum für Eltern!
Das Jugendamt bringt die eigenen Kinder wegen Verdachts der Misshandlung in Pflegefamilien unter. Die Unterbringung beruht auf einem fehlerhaften Gutachten der zuständigen Rechtsmedizinerin. Aber haftet die Gutachterin, soweit sich die Unrichtigkeit des Gutachtens herausstellt aus Schmerzensgeld?
„Jein“!
Das zuständige Jugendamt hatte den sorgeberechtigten Eltern ihre beiden 7 Jahre und 18 Monate alten Kinder wegen Gefährdung des Kindeswohls weggenommen und diese bei Pflegefamilien untergebracht. Der zu Grunde liegende Verdacht der Kindesmisshandlung beruhte auf einem rechtsmedizinischen Gutachten. Das Gutachten stellte sich später als grob fehlerhaft heraus. Die Gutachterin hatte insbesondere eine Erbkrankheit eines der Kinder übersehen (sog. „Wasserkopf“), welche u. a. zu den Verletzungsbildern geführt hatte.
Das Oberlandesgericht Koblenz sah die Gutachterin im Ergebnis zunächst dem Grunde nach zum Schadensersatz gegenüber den Eltern verpflichtet. Die Sachverständige habe – unter völliger Außerachtlassung der Pflichten einer Sachverständigen – ein grob falsches Gutachten erstellt, welches wesentliche Grundlage der Entscheidung der Behörde zur Wegnahme der Kinder geworden sei (OLG Koblenz 1 U 832/15).
Das Gericht hielt der Gutachterin insbesondere das Versäumnis vor, nicht nach alternativen Möglichkeiten der Ursache für die Verletzungen gesucht zu haben. Hierbei habe sie aufgrund des angeborenen sog. „Wasserkopfes“ und unfallbedingter Folgen, diese als Grund für die Verletzungen ausgeschlossen, ohne sich zuvor möglicher weiterer fremder Expertise zu versichern.
Das Gericht formulierte insbesondere:
Eine Sachverständige, die in einem vom Jugendamt in Auftrag gegebenen Gutachten den hochgradigen Verdacht einer Kindesmisshandlung (Schütteltrauma) äußert und hierfür als Beleg Flüssigkeitsansammlungen und frische Blutungen im Gehirn anführt, handelt grob fahrlässig, wenn sie vorgebrachte alternative Ursachen für den auffälligen Befund ohne jede tragfähige Begründung kategorisch und vorbehaltslos ausschließt. Sind die festgestellten Auffälligkeiten tatsächlich nicht auf eine Kindesmisshandlung, sondern auf eine der Sachverständigen bekannte Erbkrankheit der Kinder (sogenannter „Wasserkopf“) zurückzuführen, haftet die Gutachterin für Schmerzensgeldansprüche der Eltern und ihrer Kinder allerdings nicht persönlich.
Eine persönliche Haftung der Sachverständigen vermochte das Oberlandesgericht Koblenz nicht festzustellen. Vielmehr hafte der zuständige Kreis als Träger des zuständigen Jugendamtes an Stelle der Sachverständigen, da diese in amtlicher Eigenschaft für eine öffentliche Körperschaft gehandelt habe.
Betroffene sollten sich in solchen Konstellationen also bewusst sein, dass vorliegend nicht der Gutachter selbst, sondern grundsätzlich der beauftragende Staat in Form sog. Staatshaftung heranzuziehen sein wird. Aufgrund der damit auftretenden Besonderheiten sollte rechtzeitig Rat eingeholt werden.