Das Bundesarbeitsgericht hat nunmehr mit Entscheidung vom 25.05.2016, 5 AZR 135/16 weitestgehend Klarheit dahingehend geschaffen, welche Lohnbestandteile unter den gesetzlichen Mindestlohn zu fassen sind. Die obersten deutschen Arbeitsrichter stellten dabei im Wesentlichen wie folgt klar:
Der Arbeitgeber schuldet den gesetzlichen Mindestlohn für jede tatsächlich geleistete Arbeitsstunde. An an einer Erfüllungswirkung im Sinne des Mindestlohngesetzes fehlt es nur bei solchen Zahlungen, die der Arbeitgeber ohne Rücksicht auf eine tatsächliche Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erbringt oder die auf einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung beruhen (z. B. § 6 Abs. 5 ArbZG).
Insbesondere stellte das Bundesarbeitsgericht auch klar, dass die Mindestlohnansprüche lediglich neben die Ansprüche aus dem Arbeitsvertragsverhältnis treten, diese aber nicht ergänzen. Dies hat teilweise erhebliche Konsequenzen in bestehenden Arbeitsverhältnissen. War bislang umstritten, ob z.B. Einmalzahlungen wie Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld möglicherweise auf den Mindestlohn anzurechnen sind, so ist nunmehr geklärt, dass für bestimmte Fallkonstellationen die entsprechende Anrechnung tatsächlich erfolgen darf. Dies setzt allerdings voraus, dass tatsächlich monatliche Leistungen auf Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld erbracht werden.
Für viele Arbeitsverhältnisse dürfte gelten, dass diese, soweit die entsprechenden Jahressonderzahlungen vorbehaltlos bewilligt werden, eine Aufteilung der entsprechenden monatlichen Beträge möglich sein dürfte. Ist diese Aufteilung der vorbehaltlos gezahlten Weihnachts- und Urlaubsgelder auf die einzelnen Monate möglich, so findet Anrechnung auf den Mindestlohn im Regelfall statt. Lediglich für solche Fälle, in welchen ein echter Vorbehalt vereinbart wurde, also eine Freiwilligkeit des Arbeitgebers und die damit verbundene Dispositionsbefugnis des Arbeitgebers erfolgte und die Jahressonderzahlungen nicht als echter Arbeitslohn, sondern mit anderen Motivationen, z.B. vergangene Betriebstreue oder künftige Betriebstreue gezahlt werden, ist eine Anrechnung auf den Mindestlohn nicht möglich.
Auch stellte das Bundesarbeitsgericht klar, dass grundsätzlich Leistungszuschläge ebenfalls mindestlohnrelevant sein können, soweit sie tatsächlich für erbrachte Arbeitsleistung gewährt werden. Erschwerniszuschläge hingegen, wie z. B. Nachtzuschläge hingegen werden nicht als Entgelt für erbrachte Leistung, sondern für besondere Erschwernisse gezahlt, sodass eine Anrechnung auf den Mindestlohn grundsätzlich zu unterbleiben hat.
Anhand der vorliegenden zwischenzeitlich dezidierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird es künftig Arbeitgebern möglich sein, durch rechtsgestaltende Handlungen, z. B. Aufteilung des Weihnachtsgeldes auf die verschiedenen Monate, welches ohne Vorbehalt gezahlt eine Anrechnung auf den Mindestlohn herbeizuführen.
Ungeachtet dessen bleibt es unverändert eine äußerst komplexe Aufgabe des Arbeitgebers, welcher sich im Niedriglohnsektor befindet, entsprechende Anrechenbarkeit auf den Mindestlohn von Sonderzahlungen herbeizuführen, da die Sache selbst mit erheblichen Fallstricken verbunden ist. Die Voraussetzungen, welche hier vorliegen müssen, hatten wir oben bereits dargestellt. Sie sind mannigfaltig und teilweise, je nach einzelvertraglicher Abrede auch dem einseitigen Dispositionsrecht des Arbeitsgebers schlichtweg entzogen.
So dürfte z. B. eine Änderungskündigung zur Herbeiführung der monatlichen Auszahlung als Einmalzahlung geschuldeten Weihnachtsgeldes unzulässig sein.
Arbeitgebern, welche im Bereich des Niedriglohnes agieren, ist daher dringend anzuraten, bevor sie einseitig versuchen durch Weisungen entsprechende Fakten zu schaffen, sich Rechtsrat einzuholen.
Arbeitnehmer, welche sich entsprechenden Begehrlichkeiten von Arbeitgebern ausgesetzt sehen, sollten, trotz der vorstehenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht die „Flinte ins Korn“ werfen. Auch hier ist Rechtsrat einzuholen.