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Häufige Kurzerkrankungen als außerordentlicher KündigungsgrundNachricht A030/2018 |
Durchschnittlich 17,3 Wochen Kurzerkrankungen pro Jahr reichen aus
Der unkündbare Arbeitnehmer – ist einer Arbeitnehmer immer wieder für einige Tage oder Wochen im Jahr arbeitsunfähig erkrankt, so muss der Arbeitgeber immer wieder aufs neue Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten.
Was aber, wenn neben den einfachen Kündigungsschutz eine tarifliche ordentliche Unkündbarkeit tritt?
In welchen Konstellationen darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die außerordentlich Kündigung mit Auslauffrist aussprechen? Mit dieser Fragestellung hatten sich die Instanzgerichte und das Bundesarbeitsgericht bereits mehrfach zu befassen.
Das Bundesarbeitsgericht arbeitete bei seiner Entscheidung BAG 2 AZR 6/18, verkündet am 25.04.2018 noch einmal in aller Deutlichkeit die Voraussetzungen einer solchen außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung heraus.
Allgemein anerkannte Voraussetzungen sind:
- dass die bisherigen (erheblichen) krankheitsbedingten Fehlzeiten auch künftige (ebenso erhebliche) Fehlzeiten wahrscheinlich machen (sog. negative Prognose);
- dass die Kündigung die ultima ratio der denkbaren Verhaltensweisen des Arbeitgebers darstellt. Hierzu müssen die zu erwartenden künftigen Fehlzeiten des Arbeitnehmers zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Interessen des Arbeitgebers führen, was voraussetzt, dass der Arbeitgeber vor der Kündigung ein betriebliches Eingliederungsmanagement (sog. bEM) erfolglos durchgeführt hat. Andernfalls könnten leidensgerechte andere Einsatzmöglichkeiten bestehen, aber ungenutzt bleiben, um eine Kündigung noch abzuwenden;
- und dass die Interessen des Arbeitgebers an einer Kündigung bei einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessenstärker zu gewichten sind als die Interessen des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Insbesondere müssen die Interessen des Arbeitgebers maßgeblich überwiegen, um dem Rechtsgedanken des § 626 BGB Rechnung zu tragen.
Im vorliegenden Fall hatte das Bundesarbeitsgericht sich mit einem Sachverhalt zu beschäftigen, in welchem der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes infolge der Regelung des § 37 Abs. 2 TvÖD nur noch außerordentlich kündbar war.
(2) Arbeitsverhältnisse von Beschäftigten, die das 40. Lebensjahr vollendet haben und für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden, können nach einer Beschäftigungszeit (Absatz 3) von mehr als 15 Jahren durch den Arbeitgeber nur aus einem wichtigen Grund gekündigt werden. Soweit Beschäftigte nach den bis zum 30. September 2005 geltenden Tarifregelungen unkündbar waren, verbleibt es dabei.
Der Arbeitnehmer war statistisch gesehen in einem Zeitraum von drei Jahren durchschnittlich 17,3 Wochen arbeitsunfähig erkrankt und löste jeweils für diesen Zeitraum auch die Entgeltfortzahlungsplficht des Arbeitgebers aus. Zu viel und zu lange, wie nun die Erfurter Richter feststellten und in ihrem Leitsatz formulierten:
Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung mit notwendiger Auslauffrist eines nach § 34 Abs. 2 Satz 1 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ordentlich unkündbaren Arbeitsverhältnisses kann – vorbehaltlich einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall – vorliegen, wenn damit zu rechnen ist, der Arbeitgeber werde für mehr als ein Drittel der jährlichen Arbeitstage Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall leisten müssen.
Arbeitgeber müssen also auch bei an sich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern nicht jeder Häufigkeit und Dauer von Erkrankung hinnehmen, sondern können in extremen Ausnahmefällen die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist, welche sodann der ordentlichen Kündigungsfrist entsprechen muss, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses aussprechen.
Der unkündbare Arbeitnehmer was originally published on Sozietät Schupp & Partner