Betriebliche Altersvorsorge und „Mindestehedauerklausel“

Nachricht AE 009/2019

Witwenrente aus betrieblicher Altersvorsorge auch bei „kurzer“ Ehedauer

Mit einer ganz aktuellen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts BAG 19. Februar 2019 – 3 AZR 150/18 vom 19.02.2019 – stärkten die Richter in Erfurt die Rechte von hinterbliebenen Witwen und Witwern gegenüber den ehemaligen Arbeitgebern ihrer verstorbenen Ehegatten ganz maßgeblich.

Was war passiert?

Die Ehe der klagenden Witwe war im Jahre 2011 geschlossen worden. Bereits im Jahre 2015 verstarb der Ehemann der Klägerin. Der verstorbene Ehemann hatte zu Lebzeiten eine Versorgungszusage seiner Arbeitgeberin erhalten, wonach seine Witwe eine Rentenzahlung aus betrieblicher Altersvorsorge erhalten sollte. Dieses „Rentenversprechen“ war allerdings an einer Mindestdauer der Ehe von 10 Jahren vor Eintritt des Versorgungsfalls gekoppelt. Der Arbeitgeber verweigerte unter Hinweis auf die Nichterfüllung dieser zeitlichen Komponente die Rentenzahlung an die Witwe.

Was entschied des Bundesarbeitsgericht

Das Bundesarbeitsgericht fegte die zugrunde liegende Klausel über den zeitlichen Bestand der Ehe, die sog. „Mindestehedauerklausel“ unter Hinweis auf die Unwirksamkeit dieser Vereinbarung im Lichte des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB weg.

Es argumentierte im Wesentlichen wie folgt:

Enthält eine Versorgungszusage Allgemeine Geschäftsbedingungen, so bewirkt eine hierin enthaltene Mindestehedauerklausel von zehn Jahren eine unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten. Sagt der Arbeitgeber eine Hinterbliebenenversorgung zu, entspricht es der im Gesetz angelegten Vertragstypik, dass die Ehepartner der Arbeitnehmer abgesichert sind. Schränkt der Arbeitgeber den danach erfassten Personenkreis zulasten des Arbeitnehmers in der Versorgungszusage weiter ein, unterliegt diese Einschränkung der Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Wird die Zusage auf Ehepartner beschränkt, mit denen der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Todes mindestens zehn Jahre verheiratet war, wird von der die Hinterbliebenenversorgung kennzeichnenden Vertragstypik abgewichen. Orientiert sich eine Ausschlussklausel an willkürlich gegriffenen Zeitspannen ohne inneren Zusammenhang zum Arbeitsverhältnis und zum verfolgten Zweck, so ist eine unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten gegeben, weil der Zweck der Hinterbliebenenversorgung durch eine solche zehnjährige Mindestehedauer gefährdet ist.

Das Bundesarbeitsgericht stellt also bei seiner Abwägung, ob eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers zum Zeitpunkt der Versorgungszusage vorlag, insbesondere darauf ab, ob der Zweck der Versorgung sowohl des Arbeitnehmers, als auch seines Partners durch eine willkürliche zeitliche Einschränkung noch gewährleistet sei, oder hierdurch der Arbeitnehmer als Verbraucher übermäßig benachteiligt werde.

Was ist nun zu tun?

Hinterbliebene von Arbeitnehmern, welche von solchen Regelungen in der betrieblichen Altersvorsorge betroffen sind, sollten sich im Leistungsfall von Arbeitgebern nicht mit einem Hinweis auf eine „Mindestehedauerklausel“ von der Verfolgung ihrer Rechte abschrecken lassen.

Arbeitgebern ist dringend anzuraten, zumindest bei Ihren künftigen Versorgungszusagen diese aktualisierte Rechtsprechung zu beherzigen.

Schlussendlich allerdings ließ das Bundesarbeitsgericht offen, ob „Mindestehedauerklauseln“ überhaupt rechtlichen Bestand haben können, oder lediglich die streitgegenständliche Klausel einfach eine zu hohe zeitliche Hürde wegen der Absicherung des verbliebenen Ehepartners darstellte.

Haben Sie Fragen, dann wenden Sie sich doch ganz einfach an uns!

Betriebliche Altersvorsorge und „Mindestehedauerklausel“ was originally published on Sozietät Schupp & Partner

1 comments

  1. Wenn man da nicht erfahren ist, kann man so etwas aber auch nicht wissen. Da finde ich es so super, dass ein Arbeitsrecht Anwalt hier auch Aufklärungsarbeit im Internet macht. Man muss sich ja auch nicht alles merken, aber so kann man sich immerhin merken, dass man zu dem Thema schon einmal etwas gehört hat und dann ggf. gezielt nachfragen oder nachschlagen.

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